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Klärwerk Bottrop - eine Gesamtansicht.
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Thermische Netze

Wärme und Kälte aus der Ferne

Wenn es kalt wird zu Hause, dreht man die Heizung auf. Und umgekehrt das ­Klimagerät. Solche Technik muss nicht zwingend im Haus installiert sein. Der Ausbau thermischer Netze läuft. Damit ist eine klimaverträgliche Versorgung mit Wärme und Kälte möglich. Sieben Fragen und Antworten zur Technologie.

Zwei Drittel des Energieverbrauchs in einem Gebäude entfallen auf Raumwärme und Warmwasser. Grund genug für Menschen mit Ölheizung, sich mit dem Ersatz und Umstieg auf -erneuerbare Energien zu befassen. Der Anteil von Wärmepumpen hat in den letzten Jahren zugenommen, denn eine neue Öl-heizung bringt wirtschaftlich kaum mehr Vorteile, ganz im Gegen-teil. Sie ist gesetz-geberisch bereits -heute ein Auslaufmodell. Und will die Schweiz bis 2050 ihre CO2-Ziele erreichen, müssen bis -dahin alle fossilen Heizungen ausgetauscht sein.

Doch wie lässt sich das bewerkstelligen? Entweder mit einer eigenen Heizungsanlage im Keller, die auf erneuerbare Energieträger setzt, oder mit einem Anschluss an die Fernwärme. Diese befindet sich derzeit rasant im Ausbau, führend etwa die Stadt Basel, wo das gesamte Gasnetz stillgelegt wird und stattdessen die Wärme aus der Ferne kommt. Die wichtigsten Fragen und Antworten zu dieser neuen alten Technologie.

Ist Fernwärme eine neue Technik?

Bereits die Römer haben warmes Wasser über Leitungen in ihre Badehäuser geschickt oder es für Bodenheizungen verwendet. Davon profitierten allerdings nur jene, die es sich leisten konnten. Erst im 19. Jahrhundert setzte sich die öffentliche Wärmeversorgung aus der Ferne durch: So konnten Kohle und Asche in den Innenstädten reduziert, in den Spitälern die Öfen aus den Krankenzimmern entfernt werden. In der Schweiz folgten auf das 1928 in Zürich in Betrieb genommene Fernwärmenetz (mit Wärme aus der Kehrichtverbrennung) in den folgenden Jahrzehnten weitere Netze in Lausanne und Basel, in den 1950er-Jahren dann auch in Bern.

Was sind «thermische Netze»?

Eigentlich kommt die Fernwärme bzw. -kälte nicht von weit her, sondern aus der Region. Das Prinzip ist simpel: In einer Zentrale erhitztes Wasser wird über Leitungen in ein Gebäude geschickt, wo es an einer Übergabestelle im Haus seine Wärme in den Heizkreislauf vor Ort abgibt. Abgekühlt fliesst es wieder an den Ort seines Ursprungs zurück, wo es erneut erhitzt wird.

Natürlich ist alles in der Praxis nicht ganz so einfach – und die Technik lässt sich gleichzeitig auch für das Kühlen im Sommer verwenden. Darum spricht man heute vor allem von einem «thermischen Netz». Dieses lässt sich durch die Temperatur des Übertragungsmediums (meist Wasser) charakterisieren: Hochtemperaturnetze sind klassische Fernwärmenetze mit Temperaturen von mindestens 60 Grad Celsius und teilweise auch über 150 Grad. Der Trend geht jedoch zu Niedertemperaturnetzen (Fach-begriff «Anergienetz») mit weniger als 60 Grad Celsius, meist zwischen 10 und 25 Grad. Mit Unterstützung einer dezentralen Wärmepumpe sind die Anwendungsmöglichkeiten vor Ort vielfältiger, von Raumwärme bis Raumkälte, alles über das bestehende Heizsystem. Ausserdem lassen sich so verschiedenste Gebäudetypen optimal beliefern.

Lohnt sich der Anschluss, und wie viel kostet er?

Die Fernwärme als Alternative zur Installation einer kompletten Heizung vor Ort rechnet sich nach Meinung der Fachleute vergleichbar gut. Sie braucht aber weniger Platz, und als Hauseigentümerin oder -eigentümer ist man nicht länger selbst ­verantwortlich für die Wartung. Ausserdem gibt es eine Liefer­garantie des Fernwärmenetzbetreibers. Anders gesagt: Die ­Risiken und Abhängigkeiten des Betriebs gehen auf den Netzbetreiber über.

Die genauen Kosten hängen vom Betreiber des thermischen Netzes und von den Bedingungen vor Ort ab. In einer energiesanierten Liegenschaft (Fassaden, Dach, Keller, Fenster) sind die Kosten tiefer.

Das Preismodell allgemein beschrieben: Anstatt in eine eigene Anlage zu investieren, zahlt der Fernwärmekunde einmalig die Anschlusskosten. Hinzu kommt ein von der installierten Lei­stung abhängiger jährlicher Grundpreis, der die Kosten für Infrastruktur und Wartung abdeckt. Die effektiv verbrauchte Wärme wird ebenso verrechnet. Dieser Preis ist im Vergleich zur Öl- oder Gasheizung relativ stabil, zumal oft mehrere Zentralen mit ­unterschiedlichen Energieträgern (z.B. Abwärme aus der Kehrichtverbrennung, der Abwasserreinigung oder einem Rechenzentrum, Holzschnitzel, See- oder Flusswärme) eingesetzt ­werden: Energie, die nicht an globalen Märkten gehandelt wird. Die Preise können sich von Anbieter zu Anbieter stark unterscheiden. Für die Wirtschaftlichkeitsberechnung empfiehlt sich der Beizug eines Energieberaters oder einer Energieberaterin.

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Thermische Netze sind eine wichtige Säule der Energiestrategie 2050. Sie könnten dereinst fast die Hälfte des Endenergiebedarfs für Heizung und Warmwasser decken.

Warum muss man auf einen Anschluss oft lange warten?

Oft dauert es mehrere Jahre, bis ein Anschluss möglich ist, manchmal geht's aber auch schneller. Erst müssen genügend Interessenten vorhanden sein, damit sich die aufwendigen Bauarbeiten für den Netzbetreiber rechnen. Er braucht möglichst früh Zusagen und unterschriebene Verträge. Die entsprechenden Bauarbeiten sind besonders in den Städten ­komplex, weil die Koordination mit vielen Stellen und anderen Netzbetreibern (z.B. Telekom, Strom) nötig ist.

Wie viele thermische Netze gibt es in der Schweiz, und was ist das Ziel?

Thermische Netze gelten als eine der Säulen der Energie­strategie 2050 und lösen die bisherigen Gasnetze ab. Bis zu 40 Prozent des Endenergiebedarfs für Raumheizung und Warm­wasser sollen bis 2040 aus ihnen stammen. Das würde durchschnittlich 2500 Liter Öl pro Haushalt und Jahr ein­sparen, was zu einem Rückgang der CO2-Emissionen um 5 Millionen Tonnen führen würde.

In Städten und immer häufiger auch mittleren Gemeinden sind Fernwärmenetze der grösste Hebel zur Erreichung des Netto-Null-Ziels der Schweiz bis 2050. Schweizweit gibt es derzeit laut dem Branchenverband Thermische Netze Schweiz (TNS) mehr als 1400 Wärmenetze. Derzeit liegt der Wärme­absatz bei mehr als 9 Terawattstunden (TWh). Das Potenzial bis 2050 beträgt laut Energieperspektive 2050+ rund 18 TWh, der Branchenverband rechnet eher mit 22 TWh.

Thermische Netze sind klimafreundlich, wenn dabei erneuerbare Energieträger eingesetzt werden. Sie leisten darum einen wichtigen Beitrag zur CO2-Reduktion.

Vor welchen Herausforderungen stehen die Betreiber von thermischen Netzen?

Vermehrt wird eine Kombination verschiedener erneuerbarer Energiequellen genutzt, um warmes Wasser zu erzeugen. Das bedeutet: Die Netze müssen mehr Daten verarbeiten können. Somit müssen die thermischen Netze in den nächsten Jahren in die Digitalisierung investieren – die Lage präsentiert sich ähnlich wie im Stromnetz. Andreas Hurni, Geschäfts­führer des Branchenverbands: «Durch fortschrittliche Beda­­rfs­prognosen, die sich u.a. auf Meteodaten und Erfahrungs­werte abstützen, können wir die verschiedenen Energiequellen ­optimal nutzen.»

Zudem braucht es auf Kundenseite Wärmezähler. Aus der ­Erfahrung könnten so Verbrauchsreduktionen um durchschnittlich 15 Prozent erreicht werden, sagt Andreas Hurni. Die Betreiber sind künftig auch darauf angewiesen, ihre Zentralen zu automatisieren, mittels digitaler Zwillinge und KI zu steuern. «Wärmeversorger müssen so weniger in ihre Produktionskapazitäten investieren und können die bestehenden ­Infratrukturen optimal nutzen.»

Und die Netze wachsen. Sie müssen künftig mehr Daten verarbeiten, um jedes Gebäude präzise zu bedienen. Der Einbau ­grosser Wärmespeicher kappt Belastungsspitzen, was zusätzlich CO2 einspart, denn für Spitzenlasten kommen zur Absicherung immer noch fossile Wärmeerzeuger temporär zum Einsatz.

Sind thermische Netze wirklich klimafreundlich?

Nahezu. Es kommt auf ihre Struktur und ihre Technik in der Zentrale an. Unter dem Strich leisten thermische Netze einen wichtigen Beitrag zur CO2-Reduktion, denn zur Wärmeerzeugung kann alles Mögliche genutzt werden, vom Rechenzentrum über Seewasser bis zu Grosswärmepumpen. Noch fehlen Wärmespeicher, darum sind oft noch fossile Brennstoffe als Backup-Lösung im Einsatz. Doch der Trend geht hin zur «grünen Fernwärme», die CO2-neutral ist, selbst wenn sie mit Abwärme aus der Kehrichtverbrennung läuft, da die Wärme ohnehin bei der CO2-verursachenden Verbrennung anfällt.

Erneuerbar heizen mit Suchmaschine für das nächste verfügbare Fernwärmenetz

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