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iStock / zVg Groupe PSA
E-Auto

Die Auto­in­dus­trie übt sich im elek­tri­schen Takt­wechsel

Eine Fabrik im elsässischen Mulhouse zeigt die Kom­ple­xi­tät der Pro­duktion von Elektro­autos und wie schwierig es für die Unter­nehmen ist, die richtige Mischung aus Ökologie und Ertrag zu finden.

Das Werk Mulhouse des PSA-Konzerns arbeitet nach dem so­ge­nannten Monoflux-Prinzip. Es kann gleich­zeitig Autos ver­schie­dener Marken in be­lie­biger Kon­fi­guration her­stellen, egal ob Stromer oder Verbrenner. Dafür musste das Innere der Fabrik praktisch komplett neu gebaut werden.

Im Takt der Innovation: Die choreografierte Präzision hinter den Kulissen einer Autofabrik

Er fällt sofort auf, der Rhythmus. In den Hallen der Fabrik ist es ruhig, und doch läuft alles nach diesem alles be­stim­menden Takt­schlag. Die Mit­ar­beiter und Mit­ar­bei­terinnen gehen alle gleich schnell von einem Ort zum andern, das Band gibt den Takt vor. An den soge­nann­ten «Kitting Stations» werden für jedes einzelne Fahr­zeug Teile zusammen­gesucht und in einen Trolley geladen. Grüne Lampen zeigen an, welche Kom­po­nenten nötig sind – für jedes Auto ist die Zusammen­stellung leicht anders. Ein Griff auf die grüne Lampe quittiert den Befehl. Ist alles erloschen, ist der «Kit» voll­ständig und wird von auto­matischen Fahr­zeugen, die Magnet­schienen im Boden folgen, zum Band mit den Roh­karossen geschoben.

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In Mulhouse finden Tau­sen­de von Einzel­teilen zu Autos zu­sammen, von denen jedes ein klein wenig anders ist.

400 Millionen Euro für eine Elektro­auto-Fabrik

Das Werk liegt wenige Auto­bahn­minuten von Basel entfernt bei Mulhouse. Es gehört zum PSA-Konzern mit den Marken Peugeot, Citroën, DS und Opel und ist rund 320 Hektaren gross. Der grösste Teil der «Usine de Mulhouse» ist das Montage­werk. Es gibt aber auch ein Press­werk, das aus Blech­rollen Türen und Boden­platten formt, und alter­tümlich anmutende Ab­tei­lungen wie Schmiede und Giesserei. Rund 4000 Men­schen arbeiten im Werk, zusätzlich rund 10 000 indirekt in der näheren Um­gebung im südlichen Elsass bei Zulieferern. Täglich ent­stehen etwa 400 Autos: der SUV DS7 mit Diesel- und Benzin­motor oder als elektri­­­scher Plug-in-Hybrid (PHEV), genannt DS7 E-tense. Dazu kommt der neue Peugeot 508 als Limousine und als grosser Kombi, ebenfalls in drei Motorisierungs­varianten.

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Für die Pro­duk­tion von Elektro­autos und Ver­bren­nern auf demselben Band mussten sowohl die Fabrik neu gebaut wie auch die Autos kom­plett neu konstruiert werden.

Für die Montage der neuen elektri­fizierbaren Modell­reihen wurden in die Fabrik in den letzten Jahren 400 Millionen Euro investiert. Die Autos sind modular kon­struiert, und die modulare Fabrik ist um die neue Auto­ge­neration herum organisiert. Am Montage­band bewegen sich die Trolleys mit den Montage­kits parallel zu den lackierten Roh­karossen. Hier werden Armaturen­bretter und Sitze montiert, Räder angeschraubt und Innen­ver­klei­dungen ein­ge­klickt, alles im selben Rhythmus leicht über dem Ruhe­puls. Jeder Mit­ar­beiter kann an jeder Stelle des Bandes arbeiten. Pro fünf Ange­stellte gibt’s einen Stell­vertreter, der jeder­zeit verlangt werden kann, wenn jemand auf die Toilette muss oder sonst einen Moment weg­treten möchte. «Er­go­nomie ist Qualität», heisst es bei PSA. Denn die Kosten für einen besseren Arbeits­platz sind für das Unter­nehmen tiefer als teure Garantie­leis­tungen oder Aus­fälle beim Personal.

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Der Peugeot 508 SW ist der klas­si­sche, grosse, fran­zösische Familien­kombi. Er spielt in der gleichen Liga wie der VW Passat Kombi, hat einen riesigen Lade­raum und als Plug-in-Hybrid eine elek­tri­sche Reich­weite von etwa 50 Kilo­metern. Danach springt der Benzin­motor an. Wer oft in der Stadt unter­wegs ist und zu Hause die Batterie laden kann, fährt so grössten­teils elektrisch.

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In Mulhouse baut PSA den Peugeot 508 als Kombi und als Limousine. Beide Varianten gibts sowohl nur mit einem Verbrennungs­motor wie auch als Plug-in-Hybrid. Auf der selben Montageline montiert das Unter­nehmen auch den SUV DS7, eben­falls als reiner Ver­brenner oder wie im Bild als «Etense»-Hybrid.

Tank oder Batterie macht keinen Unterschied

Auf dem Band folgt jeweils ein einfach konfi­gu­riertes Auto auf ein kom­pli­zierteres. So können all­fällige Rück­stände bei der Montage von zusätzlichen Ex­tras wieder auf­geholt werden. Die elek­trischen Autos gehören zu den kompli­zier­testen. Damit die Fabrik nicht aus dem Takt fällt, werden deshalb Batterie, Elektro­motor und die Steuerungs­systeme vormon­tiert. Das dazu nötige Montage­modul am Band ist so aus­gelegt, dass die Elektro­elemente nicht mehr Zeit für den Einbau brauchen als die Benzin­tanks der Verbrenner. Tank und Batterie werden im Werk an der genau gleichen Stelle in die Autos montiert. Die Batterie der Plug-in-Hybride versteckt sich unter den Rück­sitzen und macht den Benzin­tank etwas kleiner. Durch diese Anord­nung ist es für Arbeiter am Band egal, ob sie einen Verbrenner oder ein Elektro­auto zusammen­bauen, und die Fabrik kann jeder­zeit mehr Elek­tro­­fahrzeuge pro­du­zieren. Diese Logik hat sich in der Industrie durch­gesetzt. Die Unter­schiede zwischen Benzin- und Elektro­fahr­zeugen sind heute auch im tiefsten Innern möglichst klein. Der voll­elek­trische Audi E-tron fordert deshalb automatisch einen Ölwechsel am Motor, den er gar nicht hat. Und selbst auf einen Kühler­grill verzichtet kaum ein Elektro­auto, obwohl er hier völlig sinnlos ist.

Die Zukunft gehört der Vergangenheit

Die Elektro-Auf­bruch­stimmung im Design, die vor mehr als zehn Jahren zum futuris­tischen BMW i3 geführt hat, ist weg. Die Finanzer haben den Ingenieuren die Flügel gestutzt. Das ist, wie wenn heutige Autos mit Zügeln gesteuert würden, weil für die pferde­gewohnte Kund­schaft der Wechsel zu Lenk­rädern nicht zumutbar und für die Her­steller zu teuer und zu riskant wäre. Nur Tesla kann sich Sonder­wege leisten, weil das Unternehmen aus­schliess­lich Elektro­autos baut. Für alle andern ist das Risiko bei den schmalen Margen der Branche viel zu gross. Im Elsass geht sofort die Angst um, sobald sich ein Modell aus Mulhouse schlechter verkauft als der Vor­gänger. Die Zukunft gehört deshalb nicht den coolen Designs und den Carbon­fasern. Sie gehört den Pressen und Schmieden und der möglichst un­sicht­baren Elek­tri­fi­zierung. Denn die Vor­gaben für neue Autos kommen nicht von den Designern und nur teilweise von den Kunden. Sie kommen vom Rhythmus der Fabrik, kaum spürbar, leicht über dem Ruhe­puls, und doch immer vorhanden.

Der Senior bleibt Avantgarde

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Elektro­fahrzeuge dienen oft als kleine, möglichst leichte Stadt- und Zweit­autos. Hier reichen kleine Batterien und aus­schliess­lich elek­trischer Antrieb für erstaunlich weite Strecken. Beim «Erstauto» und bei grösseren, familien­ferien­tau­glichen Autos fürchten sich viele Auto­fahr­er­innen und Auto­fahrer vor der fehlenden Reich­weite. Tesla baut deshalb grosse Autos mit grossen Batterien (BEV). Andere Her­steller bieten neben dieser Lösung auch soge­nannte Plug-in-Hybride (PHEV) an. Wer ein solches Auto zu Hause über Nacht auf­laden kann und täglich nur etwa 40 bis 50 Kilo­meter fährt, ist meist elek­trisch unterwegs. Für weitere Strecken schaltet sich der Benzin­motor zu. Damit bleiben die Batterie und ihr potenziell grosser ökologischer Fuss­abdruck relativ klein. Bei den kleinen, leichten Autos war BMW mit dem i3 Pionier. Die Bayern reizten ab 2013 die völlig neuen Gestaltungs­mög­lich­keiten der Elek­tri­fi­zierung voll aus. Im Innen­raum muss nicht mehr auf die Posi­ti­o­nierung von Motor und Getriebe Rück­sicht genommen werden. Der kleine i3 ist deshalb sehr geräumig, hat eine leichte Carbon­karosserie und fährt auf schmalen, energie­sparenden Rädern. Allerdings verlangte seine Konstruktion eine kom­plett andere Fabrik. Der i3 blieb darum ein Exot, war relativ teuer, verkaufte sich schlecht und sollte nach den branchen­üblichen sieben Jahren Pro­duktions­zeit ein­gestellt werden. Doch seit einem Jahr haben die Verkäufe – zu BMWs eigener Über­raschung – merklich angezogen. BMW baut das Auto nun noch min­des­tens vier Jahre länger. Es ist jetzt pro­fitabel, die Inves­ti­tionen in die ebenso teure wie exotische Carbon­pro­­duk­tion sind abge­schrieben. In den nächsten Jahren wird deshalb der BMW i3 gleich­zeitig das älteste und das mod­ern­ste Elektro­auto sein.