Wenn das alte Auto plötzlich am Kabel hängt
Die Konversion von Verbrennern wird immer attraktiver. Die kanariengelbe elektrische Corvette macht jederzeit eine gute Figur.
Die Konversion von Verbrennern wird immer attraktiver. Die kanariengelbe elektrische Corvette macht jederzeit eine gute Figur.
Die Werkstätte von Silvia Marton wäre ein Paradies für Petrolheads – Benzinköpfe. Denn da stehen eine postautogelbe Corvette, ein grüner Jaguar XK 150 von 1960, der «Hausfrauen-Porsche» 968 und auch die seltene Lasteselversion von Citroëns «Göttin», der DS Break. Doch Benzin brauchen sie alle nicht mehr.
Motor und Getriebe des XK ruhen verloren in einem Gestell, stattdessen quellen fingerdicke orange Kabel aus seinem Motorraum. Wo früher der Reihensechszylinder blubberte, liegt nun ein grosser schwarzer Block, die Batterie. Silvia Marton und ihr Team sind Pioniere bei der Konversion von Verbrennerfahrzeugen zu Stromern.
Wie so oft beginnen technische Revolutionen im Luxussegment. «Wir machen das komplette Engineering, auch die Restauration des Autos», sagt Silvia Marton. «Das sind Luxusgüter, und ich betone nirgends das Wort Ökologie.» Der Luxus besteht auch darin, dass klassische Rundinstrumente elektronisch angesteuert werden oder sich die Fahrzeuge nachher wieder anfühlen wie neu. Von Ökologie versteht sie trotzdem einiges. «Bei der Produktion eines Elektroautos stecken 50 Prozent der grauen Energie im Auto und die andere Hälfte in der Batterie. Bei Verbrennern ist der sogenannte Grauenergieanteil deutlich kleiner, dafür sind die Emissionen im Betrieb umso grösser. Da ist es sinnvoll, Autos nicht zu verschrotten, sondern zu konvertieren.»
Bisher war das nicht einfach. Es gibt noch viele Abenteurer, und auch die seriösen Anbieter befinden sich teilweise noch in der Lernkurve. Bis vor Kurzem wurden nur handgeschaltete Autos elektrifiziert, das Getriebe blieb drin. Dieses ist dann oft zerbröselt, weil beim Rekuperieren der Bremsenergie die Kraft von der falschen Seite auf die schräg verzahnten Zahnräder wirkt. Heute gibt’s ein neues Reduktionsgetriebe, auch ehemalige Automaten. Die neuen Teile wie Elektromotor und Batterie müssen dabei gleich schwer sein wie die ausgebauten. So bleibt die Zulassung für die Fahrzeugbasis gültig.
Alle Autos von Silvia Marton sind Einzelanfertigungen, maximal drei pro Jahr, und entsprechend teuer, weil das Engineering immer auch mitfinanziert werden muss. «Richtig lohnen würde es sich ab etwa fünfzig gleichen Autos jährlich, aber dafür sind wir zu klein, und das wäre langweilig», sagt sie. Allerdings haben auch ihre Autos einen Einfluss auf die ganze Branche. Grund dafür ist ein Autozulieferer mit Existenzängsten. «Man landet früher oder später immer bei Borg-Warner», erzählt sie. Das Unternehmen ist ein führender Hersteller jener Getriebe, die bei Silvia Marton auf dem Schrott landen.
Borg-Warner hat deshalb schon seit Jahren Komponentenhersteller und innovative Kleinfirmen aus der E-Mobilität aufgekauft und weiterentwickelt. Doch während andere Autozulieferer unterhalb von Mindestbestellgrössen im Bereich von 1000 bis 10 000 Stück keinen Finger rühren, kümmert sich Borg-Warner auch um Einzelstücke und Mini-Start-ups. Deren Feedbacks werden konsequent in neue Produkte integriert. Damit ist auch Silvia Marton mit ihren coolen Luxus-Stromern Teil eines dezentralen Entwicklungs-Clusters für die Weiterentwicklung der E-Mobilität.
Wie das aussehen könnte, zeigt sich in Frankreich bei der Firma «Transition-One» in Orléans. Dort werden französische und italienische Kleinwagen elektrifiziert: bringen, abholen, wie zum Service, mit einer Reichweite von etwa 100 Kilometern und einer Maximalgeschwindigkeit von 110 Kilometern pro Stunde – ideal für französische Landstrassen. Der Preis beträgt 10 000 bis 12 000 Euro und sinkt dank Subventionen auf etwa 5000 Euro. Ähnliche Angebote gibt es auch für gewerbliche Transporter sowie für Lastwagen – was mit spitzem Bleistift rechnende Fuhrhalter freuen dürfte.
Entscheidend sind moderne Zulassungsvorschriften. Vorstösse wurden in der Schweiz bereits eingereicht. Zudem verschlüsseln einige Hersteller die Elektronik neuerer Autos so stark, dass Konversionen kaum möglich sind. Dann funktionieren ESP und ABS nicht mehr – ein No-Go. Doch was vor etwa 2015 auf den Markt kam, ist laut Silvia Marton kein Problem. Damit haben die Petrolheads eine ziemlich grosse Auswahl an Autos, die sich elektrifizieren liessen. Und immer mehr sind begeistert.
Die Konversion von Verbrennern zu Stromern kann den ökologischen Fussabdruck der Mobilität schnell, kostengünstig und für sehr viele Menschen senken. Sie vermeidet grosse Schrottberge und entsprechende Ressourcenverschwendung. Zudem gibt sie Garagenbetrieben neue Verdienstmöglichkeiten, wenn sie mit dem Wegfall der ganzen Motoren- und Getriebepflege Umsatz verlieren. Voraussetzung dafür ist, dass grosse Zulieferer, z. B. Firmen wie Borg-Warner,zugelassene und standardisierte Umbaukits liefern können. Den meisten Autos tut das überraschend gut. Der anämische Graugussmotor in Citroëns Göttin, der DS, war immer nur eine Notlösung. Elektrisch hat das Auto nun genau jene Charakteristik, von der seine Entwickler träumten: die eines fliegenden Teppichs. Der erste Mercedes A – der mit dem Elchtest – hat sogar ein Batteriefach unter dem Boden. Die geplante E-Version wurde aber nie gebaut. Der A-Klasse und all den gut erhaltenen Grossvater-Saabs und kantigen Volvos winkt nun ein zweites Leben als Stromer.