Die Schweizer Industrie, hier auf einer Ausstellung in den 1950er Jahren, war führend in der Elektrotechnik. Der Slogan «Baut Kraftwerke» war deshalb sowohl politisch wie wirtschaftlich relevant.
Von Kerzen zu Kilowatt: Die politische Dimension der Elektrifizierung im 19. Jahrhundert
Strom und Politik hingen schon von Anfang an sehr eng zusammen. Die vorangegangene Revolution in der Beleuchtung, die Umstellung von Kerzen und Fettlampen auf Petroleumleuchten, hatte private Monopole und gigantische Konzerne wie Standard Oil geschaffen. Um dies zu vermeiden, lief die Elektrifizierung schon sehr früh über staatliche Organisationen, in der Schweiz über die Kantone und Genossenschaften. Damit wurde Strom aber auch politisch aufgeladen. Die neue, saubere Energie galt in der Schweiz als einzige einheimische Ressource. «Unsere weisse Kohle» wurde Strom genannt, der energetische Garant der Eigenständigkeit. Diese propagandistische Überhöhung setzte sich nach dem Ersten Weltkrieg fort, als gegen Ende des Krieges in der Schweiz praktisch alle Eisenbahnen stillstanden – ausser jenen, die bereits elektrisch fuhren. Noch in den 1990er-Jahren fuhren in Basel Trams mit dem Slogan «Strom ist Fortschritt».
Auch im Ausland wurde die neue Energie sofort hochpolitisch. Die Diktaturen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts demonstrierten mit Strom, wie modern sie waren. Die Nazis bauten die neue Energie in ihre Sprache ein, mit «gleichschalten» und «ausschalten» – im übertragenen Sinn. Lenin proklamierte: «Kommunismus ist Sowjetmacht plus Elektrifizierung des ganzen Landes.» Staudämme, Strommasten und später Atomkraftwerke zierten in der Sowjetunion Banknoten, Briefmarken, Schulen und Metrostationen. Was der Fortschritt durch Strom in der Realität bedeutete, beschrieben Reisende aus den Nachbarländern, wenn sie in die schon früh durchelektrifizierte Schweiz kamen. Kaum überquerte man die Grenze, gab es keinen Russ mehr in der Luft.