Windkraft des Teufels
Der Verein «Freie Landschaft Schweiz» arbeitet an einem Masterplan, wie sich die Schweiz ab 2030 in ein Freilichtmuseum verwandeln könnte.
Der Verein «Freie Landschaft Schweiz» arbeitet an einem Masterplan, wie sich die Schweiz ab 2030 in ein Freilichtmuseum verwandeln könnte.
In einer Schweiz, die vor lauter Klimachaos kaum noch weiss, ob sie schwitzen, ihre Keller auspumpen oder neue Atomkraftwerke aufstellen soll, gibt es noch wahre Helden.
Elias Vogt, Präsident des Vereins «Freie Landschaft Schweiz» (FLCH), hat es sich zur Lebensaufgabe gemacht, die Alpenrepublik vor der grössten Bedrohung aller Zeiten zu bewahren: Windkraftanlagen. Denn wer braucht schon unerschöpflichen Ökostrom, wenn man stattdessen unberührte Aussichten auf dahinschmelzende Gletscher geniessen kann?
Vogt ist ein adretter, gutaussehender, 29 Jahre junger Mann. Und somit der Traumschwiegersohn jeder umweltbewegten Mutter – die sich in klareren Momenten allerdings fragt: «Wie sollen die Enkel dereinst die freie Landschaft Schweiz geniessen, wenn Hitze und Dürren, aber auch Murgänge und Überflutungen diese bereits unbewohnbar gemacht haben?»
Österreich zählt 1400 Windturbinen, die Schweiz 50. Aber wir wollen uns nicht in Details verlieren – es sind einfach diese hyperventilierenden, vogeltötenden Riesenspargel, die unsere Bilderbuchschweiz ruinieren. Elias Vogt kann gar nicht genug klagen: «Das geltende Schweizer Stromgesetz hat praktisch den Natur- und Vogelschutz beerdigt.» Dabei klammert er elegant aus, dass die menschengemachte Klimakrise ganze Vogelarten ausrottet.
Ohne Windkraft, das lernt die Jugend schon in der Schule, steht die ganze Energiewende auf der Kippe. Folgerichtig hat Elias Vogt für seinen FLCH-Verein einen genialen Zeitvertreib entwickelt: Blinde Kuh spielen. Die Regeln sind simpel: Augen zu, den Klimawandel verdrängen, Grünstrom-Projekte im Keim ersticken. Windräder? Sind generell anzupöbeln. Das gelingt Vogt und seinen Getreuen von Jahr zu Jahr besser.
Apropos Blinde Kuh: Vogt hat ein cooles Argument parat, das die Rinder direkt betrifft: «Verankerungen von Windturbinen im Fels führen zu Vibrationen über zwei bis drei Kilometer Distanz.» Oha! Bei friedlich grasenden Kühen sei es deshalb schon zu «Knochendeformationen» gekommen. Solcherart verkrüppeltes Hornvieh ist dann natürlich zu gar nix mehr gut. Gibt nur noch saure Milch, furzt aber ständig Methan.
Zwei neue Volksinitiativen hat Elias Vogt kürzlich lanciert: Die «Waldschutz»-Variante will Windräder in Wäldern verbieten. Klar: Bäume fällen, um das Klima zu retten, ist Stumpfsinn im Quadrat. Dann lieber mittels Klimaerwärmung flächendeckend Borkenkäfer züchten. Da sterben die Wälder dann wenigstens auf natürliche Art.
Aber einen energiepolitischen Knüller hat er schon noch, der Vogt: Seine zweite, zeitgleich eingereichte «Gemeindeschutz-Initiative» gibt jedem Dörfli ein Veto-Recht gegen Windkraft-Projekte. Ein demokratisches Meisterstück, das die Energiewende in über 2000 Mini-Volksabstimmungen zerfasert. Damit ist ein neuer Höhepunkt im kreativen Realitätsleugnen gesetzt – unterstützt vom Bundesrat, der dem Verein sogar das Verbandsbeschwerderecht verliehen hat.
Wird Vogt insgeheim von irgendwelchen Selbstzweifeln behelligt? Höchstens anflugweise: «Wir brauchen unter der Erde zusätzlich Geothermie, deren Technologie wir dringend vorantreiben müssen.» Vielleicht lassen sich die Windturbinen ja auch dort bauen, wo sie niemand sieht: tief unter der Erde. Ein Hobby-Höhlenforscher hat Vogt nämlich verraten: «In Höhlensystemen kann es durch Temperaturunterschiede oder Druckgefälle auch zu Luftbewegungen kommen.» Na also, Problem unsichtbar gelöst.
Für eingefleischte Windkrafthasser, und da steht Elias Vogt beileibe nicht alleine da, wirkt jeder Windpark am Horizont etwa so beruhigend wie eine biblische Horde Heuschrecken auf dem Gemüsebeet. Vogt nennt auch prompt einen teuflisch triftigen Grund, weshalb Windkraft direkt vom Leibhaftigen persönlich stammen muss:
«Infraschall!» Nicht hörbar, aber angeblich tödlich. Hat auch bestimmt was mit Strahlung zu tun. Für Krimifans klingt das wie der Plot eines Stephen-King-Romans. Da werden Windräder plötzlich zu geheim-gemeinen Schallwaffen, die Mensch und Tier in den Wahnsinn treiben – langsam, lautlos, heimtückisch. CIA-Tests? Mind Control? Möglich ist alles.
Als ultimative Initiative zum Schutz der freien Landschaft Schweiz vor den Windturbinen-Monstern will Elias Vogt bald seinen FLCH-Geheimplan einreichen: «So wird der gesamte helvetische Alpenraum ab 2030 zum lukrativen Freilichtmuseum».
Der Eintritt kostet 62 Franken. Hüttenromantik? Gerne, gegen Aufpreis. Bereits deformierte Kühe werden durch kostümierte, arbeitslose Schauspieler ersetzt, die pünktlich um 10 Uhr morgens zu muhen beginnen.
«In unserer Alpenarena zeigen wir Kindern 3D-Hologramme, die auf alten Fotos beruhen.» Thema? «Wie Windenergie früher gewonnen wurde – in der Nordsee!», freut sich Museumsdirektor Vogt. Auf Nachfrage, wie man den Naturstrom in den Bergdörfern nun gewinne, erklärt er: «Mit echtem Alpenzauber.» Und Dieselgeneratoren hinter der Kapelle.
Die Natur bleibt so endlich wieder das, was sie immer sein sollte: ein perfekt vermarktetes Stillleben für Menschen mit Fernglas, Virtual-Reality-Brille und Nostalgie-Senioren-GA.
Andreas Turner ist ist Kommunikationsspezialist und Inhaber der 2025 gegründeten Zero2050 GmbH. Seit rund 20 Jahren konzipiert, textet und produziert er mit Leidenschaft Print- und Online-Formate, namentlich im Energie- und Cleantech-Bereich. Mit dieser Kolumne reitet er sein Steckenpferd, die indiskrete Satire.