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National­ und Ständerat wollen plötzlich in den Bergen riesige Solaranlagen bauen.
Strommangellage

Solar-Bonanza in den Bergen

Alpine Solaranlagen sollen die Winterstromlücke schliessen. Möglich macht dies unter anderem eine technische Neuerung.

Langjährige Beobachter der Energie­szene haben sich im Herbst 2022 ver­wundert die Augen gerieben. Jahrelang hatten bürgerliche Mehrheiten den Aus­bau der Photovoltaik (PV) gebremst, wo sie nur konnten. Förderung nur so viel, dass die Kritiker nicht reklamierten. Und jetzt das: National­ und Ständerat wollen plötzlich in den Bergen riesige Solaranlagen bauen. Zudem hat der Bun­desrat bekannt gegeben, dass auf Lärm­schutzwänden entlang von Eisenbahn­ strecken und Autobahnen PV­-Anlagen gebaut werden können. Zwei gibt es so­ gar schon, und das seit Langem: Die An­lage in Graubünden ist 34 Jahre alt, jene im Aargau 23 Jahre. Nun soll möglichst schnell gehen, was man jahrzehntelang verschlafen hat. Denn bisher galt in Bern das ungeschriebene Gesetz: «Keine Solaranlagen auf Infrastrukturbauten». Warum, wusste niemand.
 

60 Prozent des Stroms im Winter

Noch eindrücklicher ist das Tempo: Die eidgenössischen Räte haben nun alle politischen Hürden beiseitegeräumt, vor allem hinsichtlich der beiden Gross­ anlagen Gondosolar und Grengiols, bei­ de im Wallis. Diese würden auf nicht mehr genutzten Alpen entstehen und mit vertikalen bifazialen Panels ausge­rüstet. Bifazial bedeutet, dass diese Pa­nels auf beiden Seiten Strom erzeugen und damit auch das von einer Schneede­cke reflektierte diffuse Licht verwerten. Weil PV­-Module bei tiefen Temperaturen mehr Strom erzeugen, fallen 60 Prozent des Energieertrags im Winter an. Die Panels würden das Gelände nicht zude­cken, sondern stünden wie Zäune da. Die grosse Anlage in Grengiols würde ohne Fördermittel etwa 750 Mio. Franken kosten und mit jährlich 2 Mrd. Kilowatt­stunden ähnlich viel Strom produzieren wie das Kraftwerk Grande Dixence. Ein wichtiger Punkt für den Durchbruch bei den Bergkantonen war die Zusicherung, dass künftig die «Solarzinsen» für die Standortkantone grosser Solaranlagen gleich hoch sein werden wie die Wasser­zinsen für Wasserkraftwerke.

600 Kilometer Lawinenverbauungen

Um die Schweizer Atomkraftwerke zu ersetzen und die Winterstromlücke der Schweiz zu schliessen, wären rund zwanzig Kraftwerke von der Grösse von Grengiols nötig. Das ist nicht ein­ mal wahnsinnig viel. Und bei Weitem nicht alle müssten auf freiem Feld ge­baut werden. Mit dem Ende des Tabus von PV­-Anlagen auf Infrastrukturbauten könnten hocheffiziente alpine Solar­ anlagen auch auf Lawinenverbauungen entstehen. Dort gibt es bereits stabile Fundamente, und das Landschaftsbild ist nicht mehr schützenswert. Insge­samt hat die Schweiz rund 600 Kilome­ter Lawinenverbauungen, auf denen 15 bis 20 Prozent der benötigten alpinen Solaranlagen gebaut werden könnten. Damit liesse sich das Stromproblem auf ebenso schnelle wie elegante Art lösen. Auch wenn die Erkenntnis reichlich spät kommt.

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