Zerlegen statt schreddern
Die Schweizer Firma Kyburz Switzerland AG baut die Dreiräder der Post und entwickelt dafür einen integralen Stoffkreislauf.
Die Schweizer Firma Kyburz Switzerland AG baut die Dreiräder der Post und entwickelt dafür einen integralen Stoffkreislauf.
Sie sind die Arbeitsbienen der Post, die dreirädrigen elektrischen Zustellfahrzeuge, die in den letzten Jahren die früher üblichen Mofas mit Anhänger oder gar Handwagen der Briefträger weitgehend ersetzt haben. Die Fahrzeuge sind schnell, leise, geruchlos und haben eine Zuladung von bis zu 350 Kilogramm. Die Fahrzeuge der Post sind sehr lange und bei jedem Wetter im Einsatz und entsprechendem Verschleiss ausgesetzt, vor allem auch die Batterien. Die Firma Kyburz entwickelte deshalb ein Batterierecyclingsystem, das bei minimalem Energieaufwand möglichst sortenreines Material wiedergewinnt. «Bei den herkömmlichen Verfahren wer den die Batterien zu sogenannter ‹Black Mass› (schwarzer Masse) geschreddert», erklärt Olivier Groux, der bei Kyburz für das Batterierecycling verantwortlich ist. «Black Mass» wird vor allem unter den grossen Recyclern in Asien gehandelt wie standardisierte Handelsware – also wie etwa Öl oder Kohle. Die Recycler holen dann mit chemischen, thermischen oder mechanischen Methoden die Wertstoffe aus der Masse heraus.
Olivier Groux hat einen anderen Weg gewählt. Die Anlage von Kyburz schreddert die ausgedienten Batterien nicht, sondern zerlegt sie. Das bedingt ein vorsichtigeres Handling, funktioniert aber am Schluss vollautomatisch und mit sehr viel weniger Energieaufwand. So werden die einzelnen Batteriezellen erst einmal für die Zerlegung vorbereitet, indem der Ladestand geprüft wird. «Wir vermeiden eine Tiefentladung der Batterie, weil das die Materialien verändert», sagt Olivier Groux.
Die Batterie wird lediglich so weit entladen, dass sie nur noch eine sogenannte Scheinspannung zeigt. Dann kann sie zerlegt werden. Batterien sind immer etwa gleich aufgebaut: ein Paket unterschiedlich vieler Zellen. Diese bestehen aus einem Kunststoff-Aluminium-Gehäuse und einem Anoden-Kathoden-Paket, das entweder geschichtet oder gewickelt ist. Anode und Kathode sind unterschiedliche Materialien, zwischen denen Strom fliesst. Im Fall der Lithium-Eisenphosphat Batterien von Kyburz sind es Aluminium und Kupferfolien. Das Aluminium ist mit Lithium-Eisenphosphat beschichtet, das Kupfer mit Kohlenstoff. Die Elemente sind mit einer Kunststofffolie voneinander getrennt. Die automatische Recyclinganlage, die Olivier Groux zusammen mit der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt Empa entwickelt hat, sägt nun erst ein mal die Zelle auf und schiebt dann das Anoden-Kathoden-Paket hinaus. An schliessend werden die Alu- und die Kupferplättchen von der Folie gewickelt. Im Wasserbad löst sich der Kleber von den Platten, womit sich auch der Kohlenstoff und das LithiumEisenphosphat abtrennen lassen. Das Resultat sind ausschliesslich sortenreine Materialien mit einem viel höheren Wert als die geschredderte «Black Mass».
Olivier Groux betont, dass damit aus einem kleinen Fahrzeug wie den Post Dreirädern 91 Prozent der Batterien oder rund 23 Kilogramm reine Materialien in den Stoffkreislauf zurückfliessen – und damit eine krisensichere, einheimische Rohstoffquelle darstellen. Firmengründer Martin Kyburz sagt dazu: «Wir lernen alle in der Schule, die Schweiz sei ein Land ohne Rohstoffe. Aber das stimmt nicht. Rohstoffe sind überall. Wir nutzen sie nur nicht, sondern verschwenden sie.»
Deshalb ist das Zerlegen der Batterie nur das vorläufige Ende eines sehr langen Nutzungszyklus von Fahrzeug und Batterie. Wenn die Batterien für die Postzustellung nicht mehr taugen, baut sie Kyburz in stationäre Hausbatteriepakete ein. Erst wenn sie auch da ihren Dienst getan haben, werden sie zerlegt. Paradoxerweise stehen sowohl diese Zweitnutzung wie auch die Zerlegung in Konkurrenz zu den Recyclingunternehmen, die ausgediente Fahrzeugbatterien lieber so fort schreddern, statt sie zuerst stationär weiterzunutzen und erst dann zu zerlegen. Denn «Black Mass» ist inzwischen ein international gesuchtes Rohmaterial, obwohl es deutlich weniger ökologisch ist als die Zerlegung.
Die Kapazität der Batteriezerlegungsanlage beträgt rund 200 Tonnen jährlich. Derzeit werden rund 60 bis 100 Kilogramm wöchentlich verarbeitet, und die Anlage wird weiter flexibilisiert. Mittler weile können mehr Batterietypen und beliebige Formen zerlegt werden. Damit ist gesichert, dass von den Arbeitsbienen der Post keine wiederverwendbaren Stoffe verloren gehen.
Die Firma Kyburz in Freienstein ZH ist ein Pionierunternehmen der Elektromobilität. Zuerst hat sie sich eine Nische mit Fahrzeugen für Menschen mit körperlichen Einschränkungen geschaffen. Ab 2002 begann sie, Fahrzeuge für die Post zu entwickeln. Der Durchbruch kam mit dem dreirädrigen elektrischen Zustellfahrzeug Kyburz DXP. Es wird nicht nur von der Schweizer Post, sondern mittlerweile von Zustellorganisationen in ganz Europa genutzt. Nach sieben bis neun Jahren kommen die Fahrzeuge zurück zu Kyburz und werden für ein zweites Leben fit gemacht. Die Firma arbeitet sie komplett auf und verkauft sie faktisch neuwertig an Privatkunden oder Zustellbetriebe mit weniger hohen Ansprüchen. Damit werden die Produkte von Kyburz nicht nur rezykliert, sondern wo immer möglich weiterverwendet.
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