Blech schlägt Wellen
Wellblech ist das am meisten ignorierte Material der Welt. Aber wer es einmal bemerkt, kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus.
Am Anfang war ein Missgeschick. In einem Werk für Dachbleche bei Manchester geriet in den 1840er-Jahren ein Blech ins Räderwerk einer Abkantmaschine. Doch der Werkmeister meldete das verschrumpelte Blech zum Patent an. Der Clou daran: Das Blech blieb biegsam und anpassbar parallel zu den Wellen – und steif quer dazu.
Junkers und Citroën surfen auf Blech
Schon bald zog sich eine breite Spur Wellblech um den Globus. Hangars, Ställe, Wohnhäuser, Garagen, Walfangstationen, Abwasserkanäle, Öltanks, Bunker, Spitäler – fast alles gab es aus Wellblech. Oft wurde das Material zusammen mit Do-it-yourself-Anleitungen verkauft, und es gab schon Ende des 19. Jahrhunderts Ikea-mässig verpackte Fertighäuser. Ein Renner waren komplette Wellblechkirchen. Einige stehen noch heute – viele unter Denkmalschutz. Auch Autos und Flugzeuge machten die Welle mit dem Blech. Es ermöglichte grössere und robustere Flugzeuge als Holz, Lack und Leinwand. Kurz nach Hugo Junkers bauten auch Anthony Fokker, Andrei Tupolew und Henry Ford ihre Maschinen aus Wellblech. Ins Auto integriert hat es Citroëns genialer Designer Flaminio Bertoni, der an der Kastenwagenvariante des «Döschwo» Wellen schlug. Auch Bertonis Transporter Citroën H fuhr gewellt durch die Welt und ist heute als runzliger Oldtimer- Foodtruck heiss begehrter Blickfang. Wellblech hat so unsere Welt sehr viel stärker geprägt, als wir ihm das zugestehen würden. Und vielleicht werden wir es einmal bitter nötig haben – als letzten Unterstand, wenn die Welt endgültig aus den Fugen gerät.
Hugo Junkers hat ab 1917 erstmals Wellblech im Flugzeugbau eingesetzt. Hier ein Exemplar der ab 1931 hergestellten Junkers Ju 52 aus spanischer Lizenzproduktion.
Diese Wellblechkirche steht seit dem Ende des 19. Jahrhunderts im Süden Islands.
Wellblech verleiht dem Lieferwagen Citroën H Steifigkeit und Charakter.
Auch in der modernen Architektur macht Wellblech immer noch und schon wieder einen guten Eindruck – hier als Fassadenverkleidung.
Wellblech macht Schiffscontainer leicht und stabil. Es gibt deshalb kaum einen Gegenstand des täglichen Gebrauchs, der nicht schon einmal mit Wellblech in Kontakt gekommen ist.
Wellblech fürs tägliche Brot. Diese Getreidesilos auf einer Farm in Illinois in den USA bestehen aus dem welligen Wundermaterial.
Sonne, Strand und Wellen mit dem Citroën Méhari. Das gewellte Spassmobil ist noch immer allgegenwärtig an Europas Ferienküsten. Es basiert auf dem Döschwo und ist benannt nach einem Renndromedar.
Der Citroën H, Frankreichs unverwüstlicher Wellblech-Van, hier als Food Truck in Edinburgh.
Selbst rezykliertes Wellblech in bunten Farben macht sich gut in der Architektur, wie hier im Quartier La Boca in Buenos Aires, Argentinien.
Auch am Speed Art Museum auf dem Campus der University of Louisville in Kentucky macht Wellblech als Fassadenmaterial eine gute Figur.
Ein sogenanntes A-Frame-Haus aus Glas und Zeder mit einem modernen, verzinkten Wellblechdach im Unaweep Canyon entlang des Highway 141 im Westen Colorados.
