Das jahrhundertealte Bergwerk lädt zu salzigen Abenteuern. Salz ist Leben, denn Salz braucht der Mensch für die Knochen und um Lebensmittel zu konservieren. Salz bedeutete deshalb Geld – und Macht. Die Römer bezahlten ihre Legionäre in Salz, und das Wort «Salär» oder Französisch «Salaire» stammt direkt vom Salz.
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Die Türen schliessen sich, man sitzt im engen Bähnchen, und es rumpelt und holpert in den Berg hinein. Das Salzbergwerk von Bex ist Jahrhunderte alt – und doch kein Museum. Immer wieder mal steht da eine moderne Maschine. Und es kommt auch noch immer Salz aus dem Berg. Bisher wurde das meiste als Streusalz gebraucht für die Waadtländer Strassen. Doch nun setzt die alte Waadtländer Saline, die seit 2014 zur Schweizer Salinen AG mit Sitz in Pratteln gehört, vermehrt auf Tourismus und auch auf höherpreisige Produkte.
Hohe Transportkosten
Auf dem Territorium der Schweiz waren bis Ende des 17. Jahrhunderts kaum Salzvorkommen bekannt. Die Ostschweizer Kantone bezogen das weisse Gold aus Bayern und Sachsen, der Norden aus dem Elsass. Bern und Fribourg liessen es in mühsamen Karawanen vom Mittelmeer in der Region von Aigues-Mortes hertransportieren. Das dauerte acht Wochen, die Transportkosten und die über fünfzig Wegezollstationen verteuerten das Salz um das 16-Fache. Die Kantone suchten deshalb verzweifelt Salz in der Nähe.
Dass es bei Bex im Waadtland an der Grenze zum Unterwallis Salz gab, wussten die Menschen in der Region schon lange. Angeblich hatte ein Ziegenhirt beobachtet, wie seine Geissen immer am gleichen Ort tranken. Aber mit dem Salz ist es wie mit dem Gold. Sein Schein trügt und führt ins Verderben. Zwar wurden immer wieder Konzessionen vergeben, doch wirklich etwas verdient hat lange niemand. Der Salzgehalt des Quellwassers war niedrig, und die alten Verfahren benötigten sehr viel Brennholz, um Wasser in grossen, offenen Pfannen zu verdampfen, bis nur noch Salz übrig blieb. Die Bergwälder wären innert kürzester Zeit wegrasiert gewesen, wären die damaligen Ingenieure nicht auf eine andere Idee gekommen: auf das Gradierwerk. Es besteht aus Bündeln von Schwarzdorn-Ästen, die in einem riesigen, überdachten Gestell aufgehängt werden. Das salzhaltige Wasser fliesst langsam darüber und verdunstet teilweise an den Ästen. Wind und Sonne übernehmen die Funktion des Brennholzes. Nach mehreren Durchgängen durch ein Gradierwerk ergab sich eine relativ hoch konzentrierte, Sole genannte Salzlösung.
Legende vom «Cylindre»
Doch da gab es noch immer ein grosses ungelöstes Problem: Das Wasser war nicht nur zu wenig salzhaltig, es gab auch zu wenig salzhaltiges Wasser. Nach damaliger Vorstellung existierte im Innern des Berges ein grosser «Cylindre», ein Behälter mit Salzwasser. Wenn er nur tief genug unten angebohrt wurde, würden gigantische Mengen an Salzwasser einfach so ausfliessen. Das führte zu jahrzehntelanger Graberei mit Hunderten von Menschen, die aber kein Gramm Salz fanden und schon gar nicht den mystischen Zylinder. Gleichzeitig wurde Wasser, das aus den Stollen floss, mal salziger, mal weniger salzig und hielt die Legende vom grossen Salzwasserzylinder am Leben. Schliesslich realisierten die Mineure, dass es wohl keinen Zylinder gab, sondern dass das Salz im Gestein eingeschlossen war. Deshalb begannen sie, salzhaltiges Gestein in grossen Kavernen anzuhäufen, das Salzwasser in den Kavernen zu behalten und das Salz so aus dem Gestein zu lösen. Auch das führte wieder dazu, dass im Schnitt 120 Männer täglich in der Mine arbeiteten und Tausende von Tonnen Steinen durch die engen Tunnels bewegten.
Bedingungsloser Lohn
Doch dann begannen Geologen ab 1821 in der Nordwestschweiz nach Salz zu suchen und fanden es bei Schweizerhalle schliesslich auch – für die Waadtländer eine Katastrophe. Denn das Basler Salz war viel einfacher und billiger abzubauen als jenes in Bex, und die Eisenbahn machte die Transportkosten praktisch irrelevant. Die Salzgewinnung am Rhein war so profitabel, dass der Kanton Baselland erst in den 1920er-Jahren – als letzter Schweizer Kanton – die Einkommenssteuer einführte. Die Waadtländer Regierung dagegen rechnete aus, dass sie den Bergleuten bis an ihr Lebensende den halben Lohn zahlen könne, das Salz aus Basel importieren und noch immer Geld sparen würde. Das wäre eine frühe Form von bedingungslosem Grundeinkommen gewesen. Doch aufgeben gilt nicht. Eine private Organisation übernahm die Minen und leitete Wasser von oben in die Stollen, um es mit Salz angereichert unten wieder abzuleiten. Die Bergleute füllten den imaginären Zylinder selber mit Wasser.
Gleichzeitig etablierten sich Bex und Lavey als Badekurorte. Mit der sich entwickelnden chemischen Industrie auf der Walliser Seite des Tals hatte man zudem plötzlich einen Grossabnehmer vor der Tür. Die Fabriken waren ursprünglich eine Gründung der Basler Ciba. Heute sind sie der grösste Produktionsstandort der chemischen Industrie in der Schweiz. Sie brauchten zeitweise so viel Salz, dass eine Sole-Pipeline quer durchs Tal nach Monthey gebaut wurde. Nach jahrhundertelanger Rivalität begannen die Waadtländer mit Schweizerhalle zusammenzuarbeiten. An beiden Standorten wird heute durch ein doppelwandiges Bohrgestänge Wasser ins salzhaltige Gestein gedrückt, das zwischen den Wänden des inneren und des äusseren Rohrs als angereicherte Sole wieder hinauffliesst. So sind heute in den Stollen von Bex gerade noch sieben Mineure nötig, um jährlich rund 10 000 Tonnen Salz zu fördern.
Abenteuer unter der Erde
Geblieben sind das Labyrinth im Innern des Bergs von rund 50 Kilometer Länge, die riesigen Hallen, Werkzeuge aus vier Jahrhunderten Minenarbeit, mit denen Kinder erfahren können, wie anstrengend die Arbeit unter Tag war und wie viele Tausend von Hand ausgehöhlte und zu Röhren zusammengesteckte Lärchenstämme es in den Stollen brauchte. Mit ihnen wurde das Salzwasser aus dem Berg hinausgeleitet. Weil das Werk eben auch Fabrik und nicht nur Museum ist, gibt es auch Produkte unter der Marke «Sel des Alpes». Der grösste Teil der Minen ist nicht zugänglich. Doch die Stollen sind nutzbar, wenn jemand eine Idee hat. Die Minen selber organisieren hin und wieder Exkursionen in die ansonsten unzugänglichen Teile der Anlagen. Eine Brauerei lagert Bier in einigen der Kavernen, und ein paar Winzer sind auf die Idee gekommen, dass ihr Wein in den konstant 18 Grad warmen Höhlen schneller und besser reift als in ihren Weinkellern.
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