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Ökologie

Netflix und Kühlschränke

Der Energieverbrauch von Elektronik und Datenübertragung wird immer grösser. Jeder Touchscreen braucht so viel Strom wie ein Kühlschrank – oder mehr. Das ist eine Faustregel in der Energiewelt. Noch vor wenigen Jahr­zehnten konsumierten Fernseher, Schreibmaschinen und Tele­fone nur jenen Strom, der auch über die Telefon­rechnung und den Zähler zu Hause abgerechnet wurde. 

Das ist mittlerweile ganz anders. Zwar benötigen auch Mobiltelefone, Laptops und Tablets zumindest hin und wieder Strom aus der Steckdose, doch sie brauchen anderswo sehr viel mehr Strom – über die Server, die im Hintergrund laufen. Diese schicken Wetter­berichte, Facebook, Twitter und Katzen­videos auf die Handys. Strom brauchen aber auch die Mobilfunk-Übertragungs­systeme, die uns die Daten in Tram oder Zug zuschaufeln. Vor allem die HD- und Ultra-HD-Auflösungen, die uns jeden blauen Fleck am Schienbein eines Fussballers zeigen, brauchen für die zusätzliche Bildschärfe gegenüber älteren Systemen ein Mehrfaches der Daten­menge und somit des Stroms.

Netz überholt Flughafen

Grundsätzlich brauchen Text und Fotos nur wenig Energie, Filme dafür umso mehr. Dazu kommt die Übertragungs­geschwindigkeit. Am sparsamsten ist lokales LAN und WiFi (WLAN), dann kommt 3G, und 4G braucht schon ein Mehrfaches von 3G. 5G soll wieder sparsamer sein. Allerdings dürfte mit der schnelleren Übertragung die Datenmenge so stark wachsen, dass die Einsparung vom Zusatz­verkehr aufgefressen wird.

Besonders viel Strom brauchen die Serverfarmen, auf denen die Daten gespeichert sind. In Frankfurt haben die Datencenter, die dort vor allem von der Finanz­branche betrieben werden, schon Mitte der 2010er-Jahre den Flughafen als grössten Verbraucher überholt. Dabei ist der eigentliche Verbrauch nur die eine Seite. Die Farmen – grosse Lagerhäuser, vollgestopft mit Computern – produzieren so viel Abwärme, dass sie mit grossen Ventilatoren oder gar Klimaanlagen gekühlt werden müssen, vor allem dann, wenn sie noch mit älteren Computern arbeiten, die nur über eine Luftkühlung verfügen. Modernere Server­anlagen werden deshalb mit Wasser gekühlt. Das warme Wasser kann in lokalen Wärme- und Brauchwasser­netzen genutzt werden. Solche Kombinationen sind etwa in Schweden für neue Anlagen bereits Vorschrift. Viele Serverprovider werben mit solchen ökologischen Anstrengungen für ihre Dienste und betonen, dass sie ihre Computer ausschliesslich mit Ökostrom betreiben.

Hungrige Blockchains

Die nächste «Büchse der Pandora» nach den Katzenvideos sind die Blockchains. Sie basieren auf einem Datensatz, der auf Hunderten von Computern abgelegt ist. Jede Änderung muss von jedem Computer bestätigt werden. Damit sollen Blockchains fälschungs­sicher sein. Sie dienen nicht nur als Basis für Krypto­währungen wie Bitcoin. Auch Verträge, Zeugnisse oder Diplome lassen sich darauf ablegen. So sind Uniabschlüsse immer zugänglich, selbst wenn einmal das Haus abbrennt oder man aus seinem Land fliehen muss. Mit Zeugnissen auf Blockchains können die Flüchtlinge im neuen Land nachweisen, dass sie tatsächlich über ein abgeschlossenes Medizinstudium verfügen.

Ebenfalls auf Blockchains basiert der neueste Hype in der Kunstszene, die NFTs (Non-Fungible Tokens), fälschungs­sichere Echtheits­zertifikate für Kunstwerke oder auch Fotos. Die auf Hunderten Computern gleichzeitig abgelegten Informationen bedeuten auch, dass all diese Server, um einen NFT oder einen Bitcoin zu verwalten, Strom brauchen. Während aber Bitcoin auf einem relativ einfachen Programm beruht, das nur wenig Speicherplatz benötigt, sind modernere Blockchains deutlich energieintensiver.

Der Stromverbrauch ist in der Schweiz während der Pandemie leicht gesunken, aber jener der Daten­übertragung steigt laufend. Zwei Drittel des Datenvolumens im Internet bestehen aus Filmen. Das Streamen eines zweistündigen Netflix-Films braucht so viel Strom wie ein Backofen während einer Stunde.

Der Stromverbrauch aller Internet­anwendungen hat sich in zehn Jahren verhundert­facht. Der CO2-Ausstoss entspricht jenem des Luftverkehrs: zwischen 1,7 und 3,5 Prozent der globalen Emissionen. Betreiber kaufen aus Kostengründen oft den billigsten Strom – aus fossilen Quellen. Allein das Streamen der Netflix-Serie «Stranger Things», die von 64 Millionen Menschen gesehen wird, emittiert so viel CO2 wie 56 000 durch­schnittliche Autofahrer in einem ganzen Jahr.

Film oder Kuchen?

Die Streamingdienste erzeugen jährlich ca. 300 Millionen Tonnen CO2, etwa 1 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen. Pessimisten erwarten deshalb, dass der Stromverbrauch des Datenverkehrs bis 2030 etwa 20 Prozent der globalen CO2-Emissionen ausmachen wird. Der Strom­verbrauch der neusten Server­generation sinkt allerdings leicht. Das ändert aber nur wenig am gigantischen Strom­verbrauch all der Bildschirme, mit denen wir uns umgeben. Stellt euch vor, es wären Kühlschränke und Backöfen.

Strom-Monster Bitcoin

Bitcoin ist die bekannteste auf Blockchains basierende Krypto­währung. Sie soll fälschungs­sicher und unabhängig von Zentral­banken sein. Allerdings sind 60 Prozent aller Straftaten im Internet Angriffe auf oder Diebstähle von Krypto­währungen. Für Bitcoin gilt deshalb der Grundsatz: «Bitcoin ist alles, was du nicht weisst über Computer, plus alles, was du nicht weisst über Währungen, plus alles, was du nicht weisst über Energie.» Denn der Energie­verbrauch der Internet­währung ist gigantisch. Um einen Bitcoin zu erzeugen, müssen Computer immer kompliziertere Rätsel lösen, was den Stromverbrauch in die Höhe treibt. So dürfte der Verbrauch der führenden Krypto­währung allein 2020 rund 72 Terawatt­stunden betragen haben, 28 Prozent mehr als der gesamte Strom­verbrauch der Schweiz, der sich auf rund 56 Terawatt­stunden jährlich beläuft.

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