Netz überholt Flughafen
Grundsätzlich brauchen Text und Fotos nur wenig Energie, Filme dafür umso mehr. Dazu kommt die Übertragungsgeschwindigkeit. Am sparsamsten ist lokales LAN und WiFi (WLAN), dann kommt 3G, und 4G braucht schon ein Mehrfaches von 3G. 5G soll wieder sparsamer sein. Allerdings dürfte mit der schnelleren Übertragung die Datenmenge so stark wachsen, dass die Einsparung vom Zusatzverkehr aufgefressen wird.
Besonders viel Strom brauchen die Serverfarmen, auf denen die Daten gespeichert sind. In Frankfurt haben die Datencenter, die dort vor allem von der Finanzbranche betrieben werden, schon Mitte der 2010er-Jahre den Flughafen als grössten Verbraucher überholt. Dabei ist der eigentliche Verbrauch nur die eine Seite. Die Farmen – grosse Lagerhäuser, vollgestopft mit Computern – produzieren so viel Abwärme, dass sie mit grossen Ventilatoren oder gar Klimaanlagen gekühlt werden müssen, vor allem dann, wenn sie noch mit älteren Computern arbeiten, die nur über eine Luftkühlung verfügen. Modernere Serveranlagen werden deshalb mit Wasser gekühlt. Das warme Wasser kann in lokalen Wärme- und Brauchwassernetzen genutzt werden. Solche Kombinationen sind etwa in Schweden für neue Anlagen bereits Vorschrift. Viele Serverprovider werben mit solchen ökologischen Anstrengungen für ihre Dienste und betonen, dass sie ihre Computer ausschliesslich mit Ökostrom betreiben.
Hungrige Blockchains
Die nächste «Büchse der Pandora» nach den Katzenvideos sind die Blockchains. Sie basieren auf einem Datensatz, der auf Hunderten von Computern abgelegt ist. Jede Änderung muss von jedem Computer bestätigt werden. Damit sollen Blockchains fälschungssicher sein. Sie dienen nicht nur als Basis für Kryptowährungen wie Bitcoin. Auch Verträge, Zeugnisse oder Diplome lassen sich darauf ablegen. So sind Uniabschlüsse immer zugänglich, selbst wenn einmal das Haus abbrennt oder man aus seinem Land fliehen muss. Mit Zeugnissen auf Blockchains können die Flüchtlinge im neuen Land nachweisen, dass sie tatsächlich über ein abgeschlossenes Medizinstudium verfügen.
Ebenfalls auf Blockchains basiert der neueste Hype in der Kunstszene, die NFTs (Non-Fungible Tokens), fälschungssichere Echtheitszertifikate für Kunstwerke oder auch Fotos. Die auf Hunderten Computern gleichzeitig abgelegten Informationen bedeuten auch, dass all diese Server, um einen NFT oder einen Bitcoin zu verwalten, Strom brauchen. Während aber Bitcoin auf einem relativ einfachen Programm beruht, das nur wenig Speicherplatz benötigt, sind modernere Blockchains deutlich energieintensiver.
Der Stromverbrauch ist in der Schweiz während der Pandemie leicht gesunken, aber jener der Datenübertragung steigt laufend. Zwei Drittel des Datenvolumens im Internet bestehen aus Filmen. Das Streamen eines zweistündigen Netflix-Films braucht so viel Strom wie ein Backofen während einer Stunde.
Der Stromverbrauch aller Internetanwendungen hat sich in zehn Jahren verhundertfacht. Der CO2-Ausstoss entspricht jenem des Luftverkehrs: zwischen 1,7 und 3,5 Prozent der globalen Emissionen. Betreiber kaufen aus Kostengründen oft den billigsten Strom – aus fossilen Quellen. Allein das Streamen der Netflix-Serie «Stranger Things», die von 64 Millionen Menschen gesehen wird, emittiert so viel CO2 wie 56 000 durchschnittliche Autofahrer in einem ganzen Jahr.
Film oder Kuchen?
Die Streamingdienste erzeugen jährlich ca. 300 Millionen Tonnen CO2, etwa 1 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen. Pessimisten erwarten deshalb, dass der Stromverbrauch des Datenverkehrs bis 2030 etwa 20 Prozent der globalen CO2-Emissionen ausmachen wird. Der Stromverbrauch der neusten Servergeneration sinkt allerdings leicht. Das ändert aber nur wenig am gigantischen Stromverbrauch all der Bildschirme, mit denen wir uns umgeben. Stellt euch vor, es wären Kühlschränke und Backöfen.
Bitcoin ist die bekannteste auf Blockchains basierende Kryptowährung. Sie soll fälschungssicher und unabhängig von Zentralbanken sein. Allerdings sind 60 Prozent aller Straftaten im Internet Angriffe auf oder Diebstähle von Kryptowährungen. Für Bitcoin gilt deshalb der Grundsatz: «Bitcoin ist alles, was du nicht weisst über Computer, plus alles, was du nicht weisst über Währungen, plus alles, was du nicht weisst über Energie.» Denn der Energieverbrauch der Internetwährung ist gigantisch. Um einen Bitcoin zu erzeugen, müssen Computer immer kompliziertere Rätsel lösen, was den Stromverbrauch in die Höhe treibt. So dürfte der Verbrauch der führenden Kryptowährung allein 2020 rund 72 Terawattstunden betragen haben, 28 Prozent mehr als der gesamte Stromverbrauch der Schweiz, der sich auf rund 56 Terawattstunden jährlich beläuft.