Wasserkraftwerke sind wertvoll – oder doch nicht?
Nach Ablauf der Konzession gehen viele Wasserkraftwerke in den Besitz der Standortgemeinden und -kantone über. Doch die Geldquelle ist nicht mehr so ergiebig.
Nach Ablauf der Konzession gehen viele Wasserkraftwerke in den Besitz der Standortgemeinden und -kantone über. Doch die Geldquelle ist nicht mehr so ergiebig.
Sie gelten als die Ölquellen der Alpen – und es gibt viele davon: grosse Wasserkraftwerke in kleinen Berggemeinden und Bergkantonen. In einem sich ändernden Umfeld mit der Energiewende und dem Klimawandel nimmt ihre Bedeutung zu. Immer mehr dieser Kraftwerke werden künftig den Standortgemeinden und Standortkantonen gehören. Der «Heimfall» ist eine Regelung in vielen Kraftwerkskonzessionen, wonach die grössten Teile der Kraftwerksanlagen nach Ablauf der Konzession an die Standortregionen zurückfallen.
Der Heimfall in den Konzessionen hat eine lange Geschichte, und er ist hochpolitisch. Bei den frühen Konzessionen für die ersten grossen Kraftwerke der SBB im Wallis war die Heimfallregelung allerdings noch kein Thema. Damals waren die Bergregionen froh, dass sich überhaupt jemand für sie interessierte. Die Kraftwerksbauer waren willkommen, und niemand dachte daran, Forderungen zu stellen.
Das änderte sich in den 1930er- und 1940er-Jahren, als die Projekte grösser wurden. Das Dorf Marmorera und die Göscheneralp verschwanden in Stauseen. Projekten von Staumauern bei Splügen und in der Schöllenenschlucht schlug heftiger Widerstand entgegen. Die Stauseen hätten das ganze Urserental und fast das ganze Rheinwald unter Wasser gesetzt. So wuchs die Erkenntnis, dass das Recht, Wasser und Landschaft zu nutzen, einen Preis haben müsse. Dieser Gedankengang wird mittlerweile auf viele andere kommerzielle Nutzungen natürlicher Ressourcen übertragen, etwa bei CO2-Emissionen. Dann lohnt es sich, sorgfältig mit natürlichen Ressourcen umzugehen. Bei der Wasserkraft gehörte nebst der Nutzung der Ressourcen zu den Auflagen, dass die Anlagen nach Ablauf der Konzessionsdauer von 60 bis 80 Jahren ins Eigentum der Standortregionen übergehen sollen.
Mit dem Wert solcher Anlagen ist es allerdings nicht so einfach. Um die Jahrtausendwende sprach man von Stromlücken und explodierenden Preisen und plante grosse neue Kraftwerke. Dann sind nach der Finanzkrise 2008 die Strompreise eingebrochen. Auf neuen Kraftwerken gab’s riesige Abschreiber. Was 2002 eine Goldgrube war, wurde 2010 zum Milliardengrab. Hätten sich die Entscheide für die beiden Pumpspeicherwerke Linth-Limmern und Nant de Drance um zwei Jahre verzögert, wären sie wohl nicht gebaut worden. Wasserkraft spielt zwar langfristig in der Energiewende eine entscheidende Rolle, doch niemand will an kurzfristig unvorteilhaft erscheinenden Investitionsentscheiden schuld sein. Denn unter den Erneuerbaren ist Wasserkraft teurer als Wind- und Sonnenenergie.
Die Bergregionen sind hin- und hergerissen. Einige, wie etwa Uri, haben kantonale Gesetze, wonach der Heimfall zwingend ausgeübt werden muss. Im Wallis gibt es regionale Werke, die technisch und organisatorisch in der Lage sind, solche Werke zu betreiben. Andere Regionen haben früh die Konzessionen erneuert, mit modernisierten Bedingungen. Patentlösungen hat niemand. Die Ähnlichkeit zwischen Wasserkraftwerken und Ölquellen ist deshalb grösser, als es den Standortkantonen lieb ist. Im gestrigen Energieumfeld hätte man sich damit eine goldene Nase verdient. Heute ist eine Konzession aber fast wertlos. Doch im Gegensatz zu den Ölquellen kann sich das bei der Wasserkraft schnell wieder zum Besseren wenden.
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