Unter Berücksichtigung der aktuellen Regulierung und jüngsten politischen Weichenstellungen hat der VSE die Annahmen und das Modell der Studie «Energiezukunft 2050» aktualisiert bzw. weiterentwickelt. «Mit der aktualisierten Studie will der VSE die energiepolitischen Diskussionen versachlichen sowie Herausforderungen und Lösungen für das Energiesystem der Zukunft aufzeigen», sagt VSE-Präsident Martin Schwab.
Versorgungssicherheit dank Stromgesetz und Stromabkommen
Die Resultate der aktuellen Studie zeigen, dass Versorgungssicherheit und Klimaneutralität zum einen entscheidend von der Umsetzung des Stromgesetzes abhängen, zum anderen aber auch vom Abschluss eines Stromabkommens. Mit einem Stromabkommen würde die Schweiz über viel mehr Kapazitäten für Importe und Exporte verfügen, was unter anderem mehr Handelsmöglichkeiten für die Versorgung eröffnet und diese insgesamt resilienter macht.
Die Stromversorgung im Winter bleibt gemäss Studie auch in Zukunft die grosse Herausforderung. Denn nicht nur müsse der steigende Strombedarf gedeckt werden – der Landesstromverbrauch steigt bis 2050 um rund 50% auf ca. 90 TWh –, sondern auch die Abschaltung der Kernkraftwerke kompensiert werden (ab 2040er-Jahre). Auch wenn die Ausbauziele im Stromgesetz erreicht werden, brauche es in den Wintermonaten ergänzende Stromproduktion. Die Art dieser Produktion hängt vom gesellschaftlichen und politischen Willen ab. Der VSE hat verschiedene Varianten für ergänzende Produktion berechnet: mehr Wind, zusätzliche Importe über das Stromgesetz hinaus, Gaskraftwerke (möglichst klimaneutral betrieben) oder Langzeitbetrieb von 80 Jahren eines bestehenden Kernkraftwerks.
Winterversorgung: optimaler Mix aus PV und Windkraft
Die Variante «mehr Windkraft» sei aus Systemoptik klar zu favorisieren, heisst es in der Studie. In dieser Variante rechnet das Modell den optimalen Mix von PV und Windkraft. Die beiden Technologien ergänzen sich, haben beinahe komplementäre Produktionsmuster: Ein optimaler Mix der beiden Technologien würde nicht nur die Winterstromlücke verkleinern (auf ca. 4 TWh) und zu tieferen Systemkosten führen, sondern auch die Überschüsse im Sommer wegen weniger PV reduzieren.
Um die noch verbleibende Lücke zu schliessen, werden in diesem Szenario Gaskraftwerke eingesetzt. Gaskraftwerke seien flexibel einsetzbar und eigneten sich daher gut als ergänzende Produktion. Um die Klimaziele zu erreichen, sollten sie klimaneutral betrieben werden (Erdgas mit CO₂-Zertifikaten, CO₂-Abscheidung mittels CCS oder Betrieb mit erneuerbaren Gasen). Gelingt der Ausbau der Windkraft wegen Widerständen nicht wie gewünscht, schlägt der VSE den längerdauernden Betrieb heutiger Atomkraftwerke vor.
Speichern und zusätzlichen Flexibilitäten kämen zukünftig eine zentrale Rolle zu. Es brauche massiv mehr von beiden, um die Überschüsse sinnvoll im Sinne des Gesamtsystems zu nutzen. Anreize und Preissignale müssten helfen, Speicher und zusätzliche Flexibilitäten optimal miteinander zu koordinieren und einzusetzen. Trotzdem erwartet der VSE aufgrund der zukünftig sehr grossen Menge Solarstrom im Sommer zusätzlich eine PV-Einspeisebegrenzung (Peak Shaving) zur Entlastung der Stromnetze.
Energiesystem fit machen für neue Realitäten
«Die Ergebnisse zeigen klar auf, dass die Schweiz nun alle Hebel für die Versorgungssicherheit in Bewegung setzen und das Energiesystem fit für die neuen Realitäten machen muss. «Allem voran müssen wir das Stromgesetz konsequent umsetzen und ein Stromabkommen mit der EU abschliessen», betont Martin Schwab. Für den Ausbau der Erneuerbaren seien massiv mehr Akzeptanz, beschleunigte Verfahren und geeignete Finanzierungsbedingungen nötig. Angesichts der Herausforderungen im Winter gelte der Fokus dem Produktionsausbau im Winterhalbjahr. «Es bestehen keine Zweifel: Wir brauchen die 16 Wasserkraftprojekte aus dem Stromgesetz dringend. Und je mehr Windkraft wir zubauen können, desto besser für die Stromversorgung», betont der VSE-Präsident.